Gemeinde Wüstenrot

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Wüstenrot

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Wüstenrot – ein geschichtlicher Überblick

Von M. Waßner (aus dem Autorenteam von Prof. Dr. Lorenz der Wüstenroter Ortsgeschichte)

Das Keuperbergland zwischen Neckar und Kocher ist im Vergleich zu anderen Gegenden erst spät besiedelt worden. Obwohl die Römer hier mit dem obergermanischen Limes ihre befestigte Reichsgrenze errichteten, mieden sie die kühleren und vergleichsweise unfruchtbaren Waldhöhen als Siedlungsplätze. Zur militärischen Sicherung ihrer Grenze bauten sie beispielsweise in Öhringen, Mainhardt, Murrhardt und Welzheim Kastelle.

Im 3. Jahrhundert gelang es germanischen Angreifern, den Alemannen, den befestigten Limes dauerhaft zu überwinden und die Römer nach und nach zurückzudrängen. Aber auch sie siedelten noch nicht in der Gegend um Wüstenrot. Erst einige Jahrhunderte später, im 8. Jahrhundert, ist hier ein Ort in der schriftlichen Überlieferung genannt: Besitz in Stangenbach wurde im Jahr 779 von einem Graf Kunibert an das Kloster Fulda geschenkt.

Der Ort selbst dürfte etwa einhundert Jahre früher, also Ende des 7. Jahrhunderts, entstanden sein. Bei den anderen Orten um Wüstenrot gibt es keine schriftliche Überlieferung für diese frühe Zeit. Hier können Ortsnamen Hinweise geben. Die Namen Weihenbronn, Oberheimbach, Altlautern und wahrscheinlich auch das 1325 erstmals genannte Wüstenrot weisen auf die dort fließenden Flüsse hin und können deshalb zur gleichen Zeit entstanden sein wie Stangenbach. Neuhütten, Neulautern und Finsterrot dagegen sind erst am Ende des Mittelalters als Glashüttensiedlungen angelegt worden.

Im 11. und 12. Jahrhundert beherrschten die Grafen von Löwenstein die nach ihrem Herrschaftssitz benannten Berge. Nach dem Ende der Staufer wurde auch ihr Besitz im Jahr 1277 verkauft, und andere Adelsgeschlechter sicherten sich Rechte in der Gegend um Wüstenrot: die Grafen von Hohenlohe, die Herren von Weinsberg und die Schenken von Limpurg sind hier zu nennen. Die malerisch gelegene Burg Maienfels über dem Brettachtal ging in den Einflussbereich der Herren von Weinsberg über, die auch in der nahegelegenen Burg Böhringsweiler ein Zentrum ihrer Herrschaftsrechte hatten.

Auf Maienfels saß im 14. Jahrhundert ein Rittergeschlecht, das sich nach dem Ort nannte. Diese Ritter von Maienfels starben noch im 14. Jahrhundert aus, ihre Burg und Herrschaft gelangte 1390 an den berühmt berüchtigten Wolf von Wunnenstein, der auch „Gleißender Wolf“ genannt wurde. Von Maienfels aus unternahm der gleichnamige Sohn des Wunnensteiners Raubzüge gegen reichsstädtische Handelszüge, was schließlich zu seiner Gefangennahme durch die Stadt Rothenburg führte. Die Herrschaft Böhringsweiler, zu der auch Wüstenrot und Stangenbach gehörten, fiel 1330 an die Grafen von Hohenlohe und 1471 an die Kurpfalz.

Dies zeigt den Grenzcharakter dieser Gegend: hier verläuft nicht nur eine schwäbisch-fränkische Sprachgrenze, sondern auch seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert verschiedene territoriale Grenzen, die sich in Verwaltungsgrenzen bis ins 20. Jahrhundert gehalten haben. Im 16. Jahrhundert verfügten beispielsweise neben den Grafen von Hohenlohe die Grafen von Löwenstein, die Herzöge von Württemberg und verschiedene niederadlige Geschlechter über Herrschaftsrechte.

Wüstenrot war im Jahr 1504 nach dem pfälzischen Erbfolgekrieg württembergisch geworden. Das Herzogtum organisierte die Verwaltung der neuen Gebiete über einen Amtsbezirk mit Sitz in Böhdringsweiler. Finsterrot dagegen war ein Ort, der unter hohenlohischer Oberhoheit stand und erst zu dieser Zeit entstanden ist.

Der hohenlohische Kanzler Wendel Hipler (Bild rechts) hatte von seinen Herren die Erlaubnis für Rodungen in der Gegend der „vinstern Rodt“ bekommen – das war der Anfang des Dorfes Finsterrot um 1511. Blühend war damals die Glasmacherei. Zwischen Stangenbach und Finsterrot bestanden mehrere Glashütten , die ihren enormen Holzbedarf aus den umliegenden Wäldern deckten. Erzeugnisse der Glasmacher, deren Familien regelrecht Dynastien bildeten – wie die Greiner oder die Wenzel – sind heute im Heimat- und Glasmuseum Wüstenrot zu sehen, das die Bedeutung dieses Gewerbes für Wüstenrot und seine Umgebung zeigt.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein bestanden Glashütten, deren Produkte überregional vertrieben wurden. Die Ortsnamen auf -hütte wie Neuhütten gehen auf die Glashütten zurück, denen gerade auch Neuhütten seine Entstehung verdankt: hier ist eine "neue Hütte" zur Glasherstellung errichtet worden. Mit der staatlichen Neuordnung zu Napoleons Zeit veränderte sich die bisherige Grenzlage der Ortschaften grundlegend. Das auf das doppelte seiner früheren Größe angewachsene und zum Königreich erhobene Württemberg bekam unter anderem die hohenlohischen und löwensteinischen Gebiete dazu. Auch die Ritterherrschaft Maienfels hatte damit ein Ende gefunden. Fortan gehörten die Dörfer zum württembergischen Staat.

Als 1848 Südwestdeutschland im Zeichen der Revolution stand, brachen auch im "Burgfrieden“, der Gegend um Maienfels, unruhige Zeiten an. Die Maienfelser Adelsherrschaft, die zwar keine hoheitlichen Rechte mehr hatte, aber nach wie vor den meisten Grundbesitz ihr Eigen nannte und Abgaben von den Bauern erheben durfte, war Ziel des Zorns der Volksseele.

Die Menschen stürmten Schlösser und Rentämter, verbrannten Akten und Unterlagen und forderten Abschaffung der enormen Lasten auf ihren Gütern - die seit 1504 württembergischen Bauern in Wüstenrot hatten weit weniger unter Abgaben zu leiden. Landwirtschaft ist hier schon immer nur unter erschwerten Bedingungen zu betreiben, weshalb die Menschen sich schon seit dem Mittelalter andere und zusätzliche Erwerbszweige erschlossen. Der Wald bot hier eine ideale Möglichkeit. Die Einwohner verdienten ihr Brot nicht nur als Holzhauer , sondern betrieben auch Brennholzflößerei, machten Schindeln und schütteten Kohlemeiler auf.

Vor allem im 19. Jahrhundert gingen viele Männer als Hausierer mit allen denkbaren Waren auf Reisen, um ihre Familien zu ernähren. Erst die zunehmende Industrialisierung des Neckartales um Heilbronn Ende des 19. Jahrhunderts brachte den Menschen um Wüstenrot neue Erwerbsmöglichkeiten. Nach und nach siedelten sich auch in den Gemeinden Wüstenrot, Neulautern, Neuhütten und Maienfels Gewerbebetriebe und kleine Fabriken an - in Neulautern und in Neuhütten gab es beispielsweise Zigarrenfabriken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten zahlreiche Vertriebene, vor allem aus Ungarn und Tschechien, für einen großen Bevölkerungszuwachs. In Neuhütten, wo sich auch katholische Neubürger ansiedelten, wurde eine katholische Kirche errichtet. Inzwischen pflegt Wüstenrot eine offizielle Gemeindepartnerschaft mit dem ungarischen Solymár, von wo viele der Neubürger stammten. Die Gemeinde Wüstenrot, wie sie heute besteht, ist ein Kind der baden-württembergischen Gemeinde- und Verwaltungsreform der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts.

Nach zähem Ringen einigten sich damals die fünf früher selbständigen Gemeinden Finsterrot, Maienfels, Neuhütten, Neulautern und Wüstenrot auf den Zusammenschluss zu einer einzigen Gemeinde. Das Rathaus der auf 1. Januar 1974 gebildeten Gemeinde entstand bei Weihenbronn, in der geographischen Mitte der Ortsteile. Eine gemeinsame weiterführende Schule ist in Wüstenrot eingerichtet worden. Dennoch gibt es inzwischen auch in Neuhütten wieder eine Grundschule. Heute ist Wüstenrot eine auf über 6500 Einwohner angewachsene Gemeinde, die den Menschen Einkaufs- und Erholungsmöglichkeiten, Kindergärten, Schulen und Sportstätten bietet. Eine sehr große Zahl von Vereinen und Zusammenschlüssen aller Art bietet verschiedenste Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.

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